Mein neues Album

13 August 2021

Eine Woche ist es nun schon auf dem Markt, mein neues Album "Lebenswert". Die Promotion-Maschine läuft, so gut es für eine unabhängige Veröffentlichung mit begrenzter Manpower und limitierten Budget-Möglichkeiten geht. Was mir aber viel wichtiger ist als zählbare Ergebnisse, Platzierungen in Playlists oder Verkaufscharts: Es gibt diese Platte endlich, und sie ist das Album geworden, das ich schon ewig machen wollte!
Egal, welches musikalische Projekt ich angehe, es muss zuerst einmal mich selbst begeistern, ich muss davon überzeugt sein, dass das, was ich da schreibe und/oder produziere, einen künstlerischen Wert hat, ich muss mit voller Überzeugung dahinterstehen. Das ist bei diesem Album mehr denn je der Fall. Schon lange wollte ich ein Rockalbum mit Band herausbringen. Dass ich zu Beginn meiner musikalischen Laufbahn viel im Chanson- und Liedermacherbereich unterwegs war, war eine gute Schule. Alleine auf der Bühne zu stehen und sich selbst zu begleiten, keine Kollegen hinter sich zu haben, die einen auffangen können, gilt nicht umsonst als eine der schwierigsten Disziplinen unserer Branche. Außerdem liebe ich (immer schon und nach wie vor) handgemachte Liedermacher-Musik. Diese Phase damals, die mit meinen ersten beiden Alben "Hinterm Spiegel" (2007) und "Weiter gehn" (2011) ihre Höhepunkte fand, war also zu der Zeit genau richtig. Nichtsdestotrotz höre ich immer (und das galt auch für die auf den genannten Platten veröffentlichten Lieder) meine Musik im Kopf beim Schreiben immer vollständig arrangiert, mit ein Grund, weshalb ich für meine Musicals alles selbst orchestriere. Und je älter ich werde und mich auf meinen anderen musikalischen Spielwiesen ausgetobt habe, umso mehr drängt sich bei meinem privaten Musikgeschmack ebenso wie bei dem, was ich komponiere, die Rockmusik in den Vordergrund.
Deshalb war es mir schon länger ein Bedürfnis, ein Gitarrenalbum zu machen. Ich hatte auch schon eine Tracklist meiner dafür geeigneten, im Lauf der Zeit entstandenen Lieder zusammengestellt. Dann kam die Corona-Krise, und alle Pläne lagen erstmal auf Eis. Aber alles Schlechte hat eben auch sein Gutes: Notgedrungen befasste ich mich intensiver mit meinen rein infrastrukturell schon längst vorhandenen Home Recording-Möglichkeiten. Als dann auch noch eine ganze Reihe neuer Songs entstand und ein Stipendium des Landes NRW mir die finanziellen Mittel gab, so ein Projekt anzuschieben, kam alles zusammen und die Album-Produktion konnte beginnen.
Von Juni 2020 bis März 2021 haben meine Band und ich in unseren Heimstudios die Songs aufgenommen, anschließend begann die spannende Phase des Abmischens, bis im Juni das Album endlich, nach einem Jahr intensiver Arbeit (natürlich immer in der Freizeit, denn die Miete wollte ja weiterhin verdient werden), fertig war und voll und ganz meinen Vorstellungen entsprach. Das Ergebnis: 14 Lieder, davon 9 völlig neu und 5 dazu passend aus meinem Bestandsrepertoire ausgewählt, rund 65 Minuten Musik, auf die ich sehr stolz bin. Zudem wollte ich diesmal, was die Gestaltung und Ausstattung der CD angeht, keine Kompromisse eingehen. Deshalb kommt das Album nun in einem schicken, wunderbar von Luise Frentzel gestalteten Digipac mit einem Booklet, das alle Songtexte enthält, daher. Natürlich nur in der physischen Version - wer Downloads oder Streaming bevorzugt, muss darauf verzichten. Aber als haptischer Mensch produziere ich meine Musik nun einmal hauptsächlich für Hörer, die wie ich ein Album als in sich geschlossenes Kunstwerk zu schätzen wissen und eben auch gerne ein haptisches Produkt in den Händen halten.
Die ersten Reaktionen auf die CD machen mich sehr glücklich und zeigen mir, dass all die Arbeit sich gelohnt hat und dass Musik und Texte genau die Wirkung erzielen, die ich erhofft habe. Der einzige Wermutstropfen ist, dass alle geplanten Livepräsentationen aufgrund der andauernden Pandemie-Situation schon im Vorfeld abgesagt wurden. Es ist frustrierend, dass Kunst und Kultur noch immer nicht verlässlich planen können, obwohl das Impfangebot in Deutschland ja offenbar mittlerweile die Nachfrage übersteigt. Ich habe mich entschieden, erst dann Live-Konzerte zum neuen Album zu planen, wenn wir wieder unter vernünftigen, für alle Seiten annehmbaren Bedingungen arbeiten dürfen. Ein Stream kommt für mich nicht in Frage, nicht nur, weil es einfach kein adäquater Ersatz für ein Livekonzert ist, sondern auch, weil wir mit unseren technischen Mitteln ein solches Unterfangen nicht in der Qualität anbieten könnten, die ich für meine Musik anstrebe. Von daher: haben wir weiter Geduld und hoffen, dass es irgendwann wieder möglich sein wird, gemeinsam das Leben und die Musik zu feiern. Bis dahin wünsche ich Euch viel Freude mit meinem neuen Album! Danke für Euren Support, stay safe and rock on!

Lebenswert: Die Songs, die Fakten

11 August 2021


01. Eigentlich Rock&Roll
Diesen Song habe ich schon seit zehn Jahren im Repertoire, aber nie aufgenommen, weil er schon im Titel die Umsetzung mit einer kompletten Rockband quasi verlangt. Bei unseren Live-Shows hat er sich als perfekter Opener erwiesen, der beim Publikum sofort für Stimmung sorgt, deswegen lag es nah, auch das Album mit diesem Titel zu eröffnen. Ein Einzähler von Matthes, und dann geht es rund. Inhaltlich legt die Nummer gleichzeitig eines der zentralen Themen des Albums an: Die individuelle Freiheit, das Befreien aus den Zwängen des Alltags, die uns so oft von unserem persönlichen Glück fernhalten. Oft leider nur ein schöner Traum, aber wenigstens den kann einem keiner nehmen.

02. Einfach mal so tun (Utopia)
Inspiriert durch den 50. Jahrestag der Veröffentlichung von „Imagine“ stellte ich mir die Frage: Was ist von John Lennons Träumen und Visionen geblieben? Haben wir wirklich keine andere Wahl, als den zynischen und egoistischen Weg unserer Gesellschaft weiterzugehen, bis es zu spät ist? Dieser Song etabliert das zweite wichtige Thema dieser Platte, nämlich die Frage, in was für einer Welt wir leben, in welchem Zustand wir die Welt unseren Kindern hinterlassen wollen. Musikalisch geht das Stück gut nach vorne, deswegen an zweiter Stelle platziert.

03. Virtuelle Hände
Meine persönliche Corona-Chronik. Nie habe ich für einen Song so viele verschiedene Strophen geschrieben und wieder verworfen, bis die endgültige Version stand und genau das ausdrückte, was ich sagen wollte. Inhaltlich dominiert hier noch die Hoffnung, dass wir als Gesellschaft diese einschneidende Krise als Chance begreifen könnten, enger zusammen zu rücken und gemeinsam durch diese schwere Zeit zu kommen. Die Realität sieht, wie wir alle wissen, anders aus, mit anscheinend komplett unversöhnlichen Lagern, denen jede Fähigkeit zum Diskurs abhandengekommen ist. Schade.

04. Tanzen
Quasi die Fortsetzung von „Virtuelle Hände“ und eine klare Ansage an alle, die vollkommen rücksichtslos ihr Ding durchziehen, auf Solidarität pfeifen und aus purer Egozentrik einen Tanz auf dem Vulkan aufführen. Nicht nur in Bezug auf die Pandemie, sondern auch auf den Umgang mit unserem Planeten. Musikalisch geht der Song mit seinen elektronischen Elementen mal in eine ganz andere Richtung, die man so nicht von mir erwartet hätte. Aber irgendwie haben wir alle großen Spaß daran. Für Insider und Musiktheorienerds: Das bislang einzige mir bewusste Stück aus meiner Feder, das ich auf dem Tritonus beende. Da hat sich das Studium doch irgendwie gelohnt.

05. Müde
Den Text habe ich in kurzer Zeit runtergeschrieben, nachdem ich mal wieder (böser Fehler) zu viel Zeit in sozialen Netzwerken und auf Nachrichten-Feeds verbracht hatte. Manchmal gehen mir die Hybris, die grenzenlose Gier und Rücksichtslosigkeit so vieler Menschen tierisch an die Substanz. Ich nenne keine Namen, aber korrupte und lügende Politiker dürfen sich genauso angesprochen fühlen wie Nazis und Terroristen.

06. Wieder was gelernt
Die ersten zwei Zeilen des Refrains trage ich schon seit Jahren mit mir herum, der Rest des Liedes ist mir dann nach und nach aufgefallen. Ein Rückgriff auf meine Anfänge im Chanson, als ich oft meine Texte mit kabarettistischem Ansatz geschrieben habe. Für alle Verschwörungstheoretiker, die sich eventuell gemeint fühlen: Nein, die Illuminaten haben mich nicht dafür bezahlt, diesen Song zu schreiben. Ich freue mich riesig darauf, die Nummer mit meiner Band live zu spielen, das wird ein großer Spaß.

07. Lass Musik das Licht sein
Einer der zentralen Songs dieses Albums, der von den älteren darauf enthaltenen Nummern von Anfang an gesetzt war. Geschrieben als unmittelbare Reaktion auf die Terroranschläge in Paris vom November 2015 hat sich das Lied auf Konzerten als allgemeingültige Feier der Musik als versöhnende, kathartische Kraft bewiesen. In einer Zeit, in der die elementare Bedeutung von Kunst und Kultur leider auf dem Prüfstand steht, hat der Text zusätzliche Bedeutung gewonnen. Ein Titel, der auch allein am Klavier hervorragend funktioniert, aber durch die Beiträge meiner wunderbaren Band eine zusätzliche Dimension gewinnt.

08. Lebenswert
Der Titelsong des Albums steht, gemeinsam mit „Lass Musik das Licht sein“, in der Mitte der Tracklist. Eine Ansage an die Politik, die durch ihre für die meisten Menschen (sofern man kein Großkonzern mit starker Lobby war) vollkommen ins Leere greifenden Corona-„Hilfen“ riskiert, dass all das, was das Leben lebenswert macht, also Kultur, Theater, Kino, aber auch Sport, Vereinsleben, Gastronomie, Tourismus, nach Ende der Pandemie völlig kaputt und unwiederbringlich verloren ist. An dieser Stelle ein klares Ja zu Maßnahmen, die Leben retten, aber es muss auch anders gehen, als Millionen von Menschen ihre Lebensgrundlage zu nehmen, sie so in den Ruin, die Verzweiflung und die Depression zu treiben. Leben hat auch mit Lebensqualität zu tun. Und diese Lebensqualität und Lebensfreude sollten wir alle uns bemühen, wiederzufinden, sobald es verantwortungsvoll möglich ist.

09. Zauberin
Ich habe immer schon vergleichsweise wenige Liebes- und Beziehungslieder geschrieben. Zu dem Thema gibt es einfach nicht mehr so viel Spannendes zu sagen, erst recht, wenn man seit vielen Jahren in einer glücklichen Ehe lebt. Nun war es allerdings mal wieder an der Zeit, meine wunderbare Frau zu würdigen, die mir den Rücken freihält und stärkt. Musikalisch geht der Song gut nach vorne und ist ein weiteres gutes Beispiel dafür, wie meine Band (in diesem Fall vor allem Julian an den Gitarren) ein von mir ziemlich ausarrangiertes Demo genommen und durch eigene Ideen nochmal auf eine neue Ebene gehoben hat.

10. Run free
Als wir unseren ersten Hund Dobby bekamen, hat sich für mich nicht nur ein langgehegter Wunschtraum erfüllt, sondern auch meine Einstellung zu Tieren, zur Umwelt und zum Fleischkonsum komplett verändert. Wir angeblich so intelligenten Menschen könnten uns von der Weisheit der Tiere noch eine ganze Menge abschauen. Nachdem wir Dobby im Alter von nur drei Jahren durch eine kurze, schwere Erkrankung verloren, hatte ich schnell diesen Refrain im Kopf. Um den Song fertigstellen zu können, mussten aber noch ein paar Jahre vergehen und zwei neue Hunde einziehen. Gewidmet allen Hundehaltern und Tierfreunden.

11. Durchs Dunkel
Den Hang zur Melancholie (manchmal auch mit deutlicher Schlagseite Richtung Depression) habe ich von meiner Mutter geerbt. Erst nach ihrem Tod ist mir klargeworden, dass ich dieses schon ein paar Jahre alte Lied auch mit ihr im Hinterkopf geschrieben habe. Hin und wieder muss ich mir den Refrain aber auch selber vorsingen. Im Übrigen einer der Fälle, wo meine Band mich bei den Proben gefragt hat, ob es ein paar Akkorde weniger nicht auch getan hätten. Aber ich denke, die Nummer ist so genau richtig.

12. Jetzt kommst du
Unsere Tochter ist letztes Jahr volljährig geworden, und dies war eines ihrer Geschenke. Kaum zu glauben, wieviel Zeit seit „Sternchen“ auf meinem 2011er Album „Weiter geh’n“ vergangen ist… Hoffen wir, dass ihre Generation noch die Chance haben wird, viele Dinge besser zu machen als wir. Ich freue mich schon darauf, diesen Song live zu spielen. Das wird gut rocken.

13. Und wenn morgen
Einer der Songs, die ich unter dem Eindruck der ersten Pandemie-Phase geschrieben habe. Er kam eines Nachmittags in einem Rutsch raus und hat sich seitdem nicht mehr verändert. Eigentlich sollte dieses Lied, das musikalisch sicher mit am ehesten an meine früheren Chansons erinnert, das Album beschließen. Aber meine Frau hatte eine bessere Idee, um den Hörer in etwas gehobenerer Stimmung zu entlassen…

14. Frei
Live haben wir diesen Titel oft an zweiter Stelle im Set als Doppelpack mit „Eigentlich Rock&Roll“ gespielt, was sich als ziemlich effektiv erwiesen hat. Auch dieses Lied, das älteste, das auf dem Album gelandet ist, liegt schon länger auf Halde, weil es darauf wartete, mit kompletter Band aufgenommen zu werden. Auf Anregung meiner Frau habe ich es von Position Nummer Zwei ans Ende verschoben. So schließt sich ein schöner Kreis und die Stimmungskurve zeigt zum Schluss wieder deutlich nach oben. Manchmal sollte man eben auf seine Frau hören.

Credits:

Alle Titel Musik und Text: Mario Stork

Bassgitarre: Manuel Blase
Schlagzeug, Percussion, Programmings: Matthias Plewka
Gitarren: Julian Rybarski
Gesang, Gitarren, Klavier, Keyboards, Programmings: Mario Stork

Mischung: Christian Regniet
Mastering: Marcus Kötter @ Tresohr Studios
Artwork und Grafik:Luise Frentzel (lufre-photography.de)
Label: 99 Rockets Records

Ein Jahr Corona

09 März 2021

Heute vor einem Jahr habe ich meinen letzten regulären Gig gespielt, bevor die Pandemie ein Arbeitsverbot für meine Branche erzwungen hat. Ich möchte an dieser Stelle gar nicht in Frage stellen, dass Maßnahmen nötig waren und sind. Aber ich möchte anhand meiner persönlichen Erfahrungen schildern, was ein Jahr Corona und vor allem die unterlassene Hilfeleistung der Bundesregierung bewirken.
Vor einem Jahr also der letzte Vor-Corona-Gig, als Pianist mit einem Jazz-Quartett, als Rahmenprogramm zum Vestischen Neujahrsempfang in Recklinghausen, Gastredner: Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (ausgerechnet). Wir erinnern uns: Zu diesem Zeitpunkt war die Situation unübersichtlich, jeden Tag kamen neue Schließungen hinzu, bevor das Land dann am Ende jener Woche in den ersten Lockdown geschickt wurde. So meinte der Vizekanzler auch betont jovial, nachdem er zuvor die Genossen völlig distanzlos mit Handschlag und Umarmungen begrüßt hatte, dies sei ja wohl auf längere Sicht die letzte Gelegenheit, sich in einem so großen Rahmen zu treffen. In den folgenden Tagen und Wochen dann regelmäßig in den Nachrichten, in denen neue Kontaktsperren, Hygieneregeln etc. verkündet wurden, Bilder des Kabinetts oder aus dem Bundestag, wo die Damen und Herren Politiker wiederum völlig distanzlos miteinander plauschten. Von Herrn Spahns diversen Fettnäpfchen (Stichwort z.B. überfüllter Aufzug) noch gar nicht zu reden. Vertrauenbildendes Verhalten geht anders.
Aber schön, auch die Politiker mussten sich an diese Extremsituation gewöhnen, da kann man vielleicht noch keine Vorbildfunktion erwarten. Während sich bei mir und allen Kolleg*innen der Jahresterminkalender zusehends leerte und erste Existenzsorgen aufkamen (wobei noch niemand daran glaubte, dass uns die Einschränkungen so lange begleiten würden), wurden erste Hilfsprogramme aufgelegt. Das erste Unterstützungsprogramm für Künstler*innen des Landes NRW habe ich noch ausgelassen, ich dachte, meine Rücklagen reichen für ein paar Monate, ich lasse anderen den Vortritt, die das Geld dringender brauchen. Dann die Corona-Soforthilfe: 9000 Euro, nicht rückzahlbar hieß es, gerade für Selbständige auch als Ersatz für Umsatzausfälle gedacht. Super, beantragt, genehmigt, ausgezahlt, das wäre immerhin eine halbwegs annehmbare Kompensation der weggebrochenen Einnahmen. Dann aber die Kehrtwende der Politik: Bekanntlich wurden die Bedingungen im Nachgang derart geändert, dass nun nur noch Betriebskosten (die freischaffende Musiker wie ich nur selten in nennenswertem Umfang haben) von den Fördermitteln bezahlt werden durften. Also, nach langem Hin und Her, fast alles wieder zurücküberwiesen. Auch anschließende "Hilfsprogramme" waren immer so angelegt, dass ich genau gar nichts beantragen durfte. Irgendwann habe ich dann aufgehört, mich überhaupt noch dafür zu interessieren. Den vollmundigen Versprechen der Regierung war einfach nicht mehr zu glauben, was viele Menschen in Gastronomie und Einzelhandel mit dem Fiasko der "Novemberhilfen" später nochmals erleben sollten.
Was habe ich stattdessen getan? Nun, da alle Jobs, die in meinem Beruf lukrativ sind und ein halbwegs vernünftiges Einkommen bieten, verboten waren, habe ich meine zuvor schon als ein Existenzbaustein vorhandene Unterrichtstätigkeit stark ausgeweitet. Nun können private Musikschulen keine berauschenden Löhne bezahlen, weshalb ich umso mehr arbeiten musste, um den Lebensunterhalt meiner Familie bestreiten zu können. Das geht eine Weile, ich habe immer schon viel gearbeitet, aber irgendwann wird es einfach zuviel mit im Schnitt 80 bis 100 Wochenstunden. Und trotz dieses Arbeitsaufwands sind die Reserven aufgebraucht, sind wir nur deshalb nicht in die Privatinsolvenz gerutscht, weil immer wieder Freunde überraschend mit großzügigen Geschenken geholfen haben. Was das mit dem Selbstwertgefühl macht, wenn die Politik einerseits ein Arbeitsverbot verhängt, andererseits keinerlei wirksame Hilfsinstrumente zur Verfügung stellt und parallel noch über die "Systemrelevanz" von Kultur debattiert, und man andererseits von Almosen abhängig ist, obwohl man es bisher immer aus eigener Kraft geschafft hat, sich über 20 Jahre hinweg eine bis dato gesunde Existenz aufgebaut hat und sich immer noch den A... dafür abarbeitet, es irgendwie zu schaffen, das mag ich hier gar nicht beschreiben.
Wie sieht nun heute der Ist-Zustand aus? Ohne die musikalischen Projekte, die ich mit Hilfe zweier Stipendien durchführen konnte, hätte ich wahrscheinlich schon aufgegeben und wäre auf Hartz IV. Von dem Stipendien-Geld (zumindest dem des Landes NRW) darf ich zwar auch nicht leben, aber zumindest meine künstlerische Arbeit fortführen. Was ein dringend nötiger Ausgleich zu den "Brotjobs" ist, auch wenn dadurch auch noch das letzte bisschen Freizeit draufgeht. Die Brotjobs waren schon immer ein Teil meiner Arbeit und ich mache sie in der Regel auch gern, aber es hat einen Grund, weshalb ich selbständig geworden bin. Weil ich gewisse Freiheiten schätze und brauche. Die sind nun seit rund einem Jahr weg, jeden Monat steht die Frage im Raum, wie lange wir finanziell noch durchhalten können. Unsere Branche hat noch immer keine Perspektive, und das in der angeblichen "Kulturnation" Deutschland. Seit Monaten schlafe ich nicht mehr richtig, egal welche Mittel ich zur Hilfe nehme; die gesundheitlichen Probleme, die mich vor zwei Jahren dazu bewogen haben, das Touren deutlich zu reduzieren, sind zurück und stärker ausgeprägt denn je; was die Zukunft bringt, steht in den Sternen.
Natürlich wird dann immer die Frage gestellt: Was hätte ich denn besser gemacht? Ich weiß es nicht, es ist auch nicht mein Job, dafür werden die Politiker gewählt und bezahlt. Was ich finde, ist, dass es schon vor Corona ein Kardinalfehler war, das Gesundheitssystem kaputtzusparen. Vielleicht hätte man das Geld, das man jetzt zur Rettung der Wirtschaft in die Hand nehmen möchte, massiv in Krankenhäuser und Pflegeheime, deren technische Ausstattung und eine vernünftige Bezahlung des Personals investieren sollen. Wenn man nicht Leben retten will um den Preis, Millionen von Existenzen (und damit auch wieder Leben) zu zerstören, hätte man wirksame, unbürokratische Hilfen aufsetzen müssen. Leben hat halt auch etwas mit Lebensqualität zu tun, und darin, Leben zu retten, wenn hinterher alles kaputt ist, was das Leben lebenswert macht, sehe ich persönlich keinen Sinn. Das mag und darf natürlich jeder anders sehen, es bleibt aber meine Meinung. Außerdem konnte mir bisher noch keiner erklären, warum die Regierung nach mittlerweile einem Jahr Pandemie aktuell in Sachen Impfungen und Schnelltests eine derart chaotische und schwache Performance abliefert, vom kruden, sich an immer neuen Ungerechtigkeiten überbietenden Lockdown-Durcheinander ganz zu schweigen. So hätten sämtliche Gegenmaßnahmen koordinierter, transparenter und von vornherein durch den Bundestag legitimiert ablaufen müssen. So wie es passiert ist, hat die Politik massiv Vertrauen verspielt. Mir graut vor den im Herbst anstehenden Wahlen, denn dass die Rechten das Versagen der etablierten Parteien für ihren polemischen Stimmenfang ausnutzen, haben sie ja bereits gezeigt. Hoffen wir, dass wir in einem Jahr ein positiveres und hoffnungsvolleres Fazit der dann vergangenen zwölf Monate werden ziehen können. Bleibt gesund und passt auf Euch auf - noch glaube ich daran: Music will be back!

Album-Update

17 Februar 2021

Geschafft! Alle Songs fürs neue Album sind fertig geschrieben und von mir als Demos aufgenommen. Jetzt sind die Kollegen dran, bevor es ans Abmischen und Mastern geht. 14 Songs gehen in die Produktion, ob alle letztendlich auf der Platte landen, entscheidet sich noch, aber im Moment gehe ich davon aus. Da ich ein Verfechter des Albumformats bin, sehe ich keinen Grund, den Umfang zu limitieren, wenn der Bogen, den ich mit den Songs erzählen will, alle 14 Lieder zulässt. Da ich übrigens bei Beantragung des NRW-Künstler-Stipendiums, mit dessen Hilfe ich die Produktion finanziere, versprochen habe, das Publikum über den Arbeitsprozess auf dem Laufenden zu halten, und im Gegensatz zu so manchem Politiker ein totaler Fan davon bin, mein Wort zu halten, beschreibe ich an dieser Stelle mal, wie wir das Album im Social-Distance-Modus Stück für Stück zusammenbauen:
Zuerst kommt natürlich das Songwriting. Ich hatte, bevor der ganze Corona-Trubel losging, bereits eine Wunsch-Tracklist für ein mögliches Band-Album zusammengestellt mit Songs, die bisher unveröffentlicht, aber live erprobt waren. Die Pandemie änderte vieles, ohne das Stipendium wäre einerseits das Album finanziell nicht mehr stemmbar gewesen, andererseits habe ich aber auch einen Kreativschub erhalten und so viele neue Lieder geschrieben wie seit langem nicht mehr. Die sollten natürlich auf die Platte, so dass einige der eigentlich geplanten älteren Songs ihren Platz auf der Liste wieder räumen mussten. (Aufgeschoben ist ja aber bekanntlich nicht aufgehoben.) Mit dem Stand von heute sind fünf ältere Lieder übrig geblieben, ergänzt durch neun brandneue Songs.
Da ich mit meiner Band derzeit nicht wie gewohnt im Probenraum arbeiten kann, nehme ich jeden Song bei mir zu Hause zunächst als Demo auf, das heißt, nur Gesang plus entweder Klavier oder Gitarre, je nachdem, auf welchem Instrument ich den jeweiligen Titel geschrieben habe. Anschließend baue ich durch Gitarrenoverdubs und virtuelle Instrumente darum herum ein komplettes Bandarrangement, das meinen Kollegen die Richtung vorgibt, in die die Nummer gehen soll. Wichtig ist dabei, dass sie zwar eine grobe Orientierung und Anregungen erhalten, aber immer noch genug kreativen Freiraum für ihre Parts haben, denn der kollektive Input aller beteiligten Musiker ist genau das, was ich an der Arbeit mit einer Band schätze. Alles haarklein vorzugeben habe ich jahrelang im Musicalbereich praktiziert, und da geht es auch meist nicht anders, aber bei meinen eigenen Songs sollen Kreativität und Spielfreude im Vordergrund stehen. By the way: Im Laufe der nun seit gut einem halben Jahr andauernden Vorproduktion des Albums (ich kann ja nur in begrenztem Umfang daran arbeiten, wenn meine Brotjobs mir die Zeit dafür lassen) habe ich so einen Spaß an der großen Spielwiese meines Heimstudios bekommen, dass die Band-Demos immer detaillierter geworden sind. Eine schöne, aufregende neue Erfahrung und Herangehensweise.
Wenn die Demos fertig sind, spielt jeder Musiker bei sich zu Hause seine Beiträge ein und schickt mir anschließend die fertigen Spuren. Die baue ich dann in das Projekt ein und tausche die echten Instrumente gegen die programmierten aus dem Demo aus. Bei Schlagzeug und Bass ist das relativ einfach, da die Kollegen Matthias Plewka und Manuel Blase mir in der Regel nur einen Take schicken. Bei den Gitarren kommt noch die Qual der Wahl hinzu: Julian Rybarski macht sich immer sehr viele Gedanken, geht oft weit über das hinaus, was ich in den Demos anlege, und schickt eine Vielzahl von Vorschlägen und Varianten, die ich meistens alle mag. So darf ich dann (was für einen erklärten Gitarrenfan wie mich eine wahre Freude ist) all die Gitarrenspuren sichten, sortieren, editieren und in das Klangbild einbauen. Zur Erinnerung: Die Vorgabe war, ein Rockalbum zu machen, eine Gitarrenplatte, und dieses Ziel werden wir definitiv erreichen.
Wenn alle Aufnahmen eingebaut sind, nehme ich in der Regel ein paar Overdubs auf: Den Gesang in sauber (wobei ich die finalen Versionen Anfang März nochmal unter richtigen Studiobedingungen einsingen werde, da ich weder ein hochwertiges Gesangsmikro besitze noch die entsprechende schallisolierte Umgebung habe), hier und da eine zusätzliche Gitarre (siehe oben!), vor allem aber bei Bedarf noch ein paar Keyboards wie Orgeln, Synthesizer, Streicherflächen. Und dann geht es ans Abmischen, was für mich komplettes Neuland ist, aber hier habe ich kompetente und hilfsbereite Unterstützung durch in dieser Hinsicht erfahrenere Kollegen wie Matthias oder unseren Live-Tonmagier Christian Regniet. Diese Aufgabe wird mich nun in den kommenden Wochen primär beschäftigen. Wir wollen diesmal soviel wie möglich selber machen, bevor dann als letzter Schritt natürlich alle Lieder nochmal extern gemastert (und davor bei Bedarf final abgemischt) werden.
Soweit der Plan - drückt uns die Daumen, dass alles läuft wie es soll und das Album im Juni fertig sein wird! Einen ersten Appetizer gibt es sehr bald. Stay tuned, denkt positiv, bleibt negativ und so weiter! Music will be back!

Mea culpa

15 Februar 2021

Da hat man nach Monaten ganz ohne Termine (höchstens Absagen ebensolcher) mal einen Gig und vergisst, ihn hier auf die Website zu stellen... Ich entschuldige mich bei meinen lieben Kolleg*innen, mit denen ich gestern das Streaming-Konzert "Be my Valentine" aus dem KatiElli-Theater bestritt. In den Social Media-Kanälen habe ich dafür zwar Werbung gemacht, aber den Termin hier auf meine eigene Homepage zu setzen, das ist mir total durchgegangen. Sorry auch an alle, die mir nicht auf Facebook oder Instagram folgen, aber jeden Tag voll gespannter Erwartung hier auf meine Seite schauen. (Falls es Euch gibt, danke dafür.) Seltsame Zeiten, in denen man vor lauter Kampf ums wirtschaftliche Überleben die wichtigen Dinge des (Berufs-)Lebens komplett verpeilt. Hoffen wir, dass irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft das (kulturelle) Leben wieder seinen geregelten Gang gehen darf und ergo etwas Ruhe und Normalität einkehrt... Bleibt gesund und habt Euch lieb.

Viel passiert

13 Januar 2021

Zu Beginn des neuen Jahres möchte ich Euch an dieser Stelle kurz auf den aktuellen Stand bringen, was meine musikalischen Projekte angeht. Es tut sich viel, ich beschäftige mich so intensiv auf mehreren Ebenen mit meiner eigenen Musik wie lange nicht mehr und genieße das - ein willkommener Ausgleich für den Druck, unter den aktuellen Bedingungen und angesichts der vollkommen unzureichenden "Hilfsmaßnahmen" der Regierung als Musiker seinen Lebensunterhalt bestreiten zu müssen.
Gemeinsam mit Dirk Schattner habe ich, ermöglicht durch das Stipendium der Stadt Gelsenkirchen, die Arbeit an einem neuen Musical begonnen. Wir haben nun fünf Lieder in ersten Fassungen fertig, die als vollständig instrumentierte, von mir eingesungene Demos vorliegen und den musikalischen und stilistischen Ton für das neue Stück definieren. Eine wichtige Vorarbeit, und die ersten Reaktionen sind vielversprechend. Wir werden diesen Weg weiterverfolgen und mit diesen ersten Songs im Rücken dieses Musical weiterentwickeln. Parallel dazu arbeiten wir aber auch an der neuen Fassung unseres 2016 in Bayreuth in einer ersten Fassung ausprobierten "Friedelinds Wahnfried". Es gibt eine neue inhaltliche und personelle Ausrichtung, ein paar neue Lieder und einen neuen Titel. Unser Plan ist, in diesem Frühjahr zunächst (sofern die Corona-Bedingungen es zulassen) ein internes Reading durchzuführen, um das überarbeitete Material zu testen, und dann das Stück Theatern und Produzenten vorzustellen. Mehr zu beiden Musicalprojekten dann hier zu gegebener Zeit. ;-)
Gleichzeitig arbeite ich natürlich weiter an meinem neuen Album und konzipiere das Bühnenprogramm für meine Band und mich, das wir irgendwann, wenn Live-Konzerte wieder möglich sind, für Euch spielen wollen. Dafür überarbeite ich auch ein paar ältere Songs und verpasse ihnen neue Bandarrangements. Für die CD sind derzeit sieben Songs aufgenommen, weitere sind in Vorproduktion. Gleichzeitig entstehen immer noch neue Songs. Wie viele letztendlich auf dem Album landen werden, wird sich zeigen. Aktuell stellen wir Bildmaterial aus unseren jeweiligen Heimstudios für ein Video zusammen, mit dem wir bald einen Vorboten der Platte veröffentlichen wollen. Es geht also weiter. Bis dahin: Bleibt gesund!

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